Abwechslungsreiche Hochtour am Grenzkamm zwischen Nord- und Südtirol.

Auf und über den Wilden Freiger

Der Abstecher vom Stubaier Höhenweg zum Wilden Freiger lohnt sich. Der 3.418m hohe Grenzgipfel lässt sich von der Nürnberger Hütte ebenso gut besteigen wie von der Sulzenauhütte, somit bietet sich die Überschreitung geradezu an. Die Route über teils noch vergletschertes Gelände und Blockgrate ist lang und facettenreich.

13. Juni 2024

Der Wilde Freiger ist im Sommer ein vielbestiegener Berg. Seit einigen Jahren gelangt man von der Nürnberger Hütte aus zu seinem höchsten Punkt ohne Gletscherberührung, was auch mit sich brachte, dass zunehmend mehr Wanderer:innen und Trailrunner:innen seinen Gipfel als Ziel ins Auge fassen. Ist man zum Beispiel am Stubaier Höhenweg unterwegs, kann der Übergang zwischen Nürnberger Hütte und Sulzenauhütte über ihn erfolgen. Nimmt man sich zwei Tage dafür Zeit, ist eine Übernachtung am Becherhaus oder auf der Müllerhütte eine sehr schöne Sache. Eintägig ist die Tour lang und erfordert ein gehöriges Maß an Kraft und Ausdauer. Die Route ist technisch nicht all zu schwierig, dennoch sollte man den Berg nicht unterschätzen und gute Verhältnisse abwarten.

Um diesen Berg geht es hier. Wilder Freiger (3.418 m) - ein Stubai7Summit.

Wir schließen mit diesem Artikel an, an die Tour über das Niederl. Ab der Nürnberger Hütte beginnen wir nun mit der Überschreitung zur Sulzenauhütte - und zwar eintägig. Die Beschreibung ist mit vielen (ungeschönten) Bildern gespikt, damit man selbst gut abschätzen kann, ob diese Tour vielleicht auch für einen selbst was ist. Sie ist in beide Richtungen möglich und wir begleiten sie regelmäßig ab den zwei genannten Hütten. Nützen sie bitte unser Kontaktformular für eine Anfrage.

Beim reichhaltigen Frühstück auf der Nürnberger Hütte greifen wir ordentlich zu, denn es liegt ein langer Tag vor uns, mit etlichen Höhenmetern und in teils weglosem Gelände. Verglichen mit Wandern auf befestigten Wegen (z.B. am Stubaier Höhenweg) ist der Wilde Freiger nicht zuletzt auch deshalb anspruchsvoller, da man sich an ihm über weite Strecken im Blockgelände bewegt, das gute Trittsicherheit und Konzentration erfordert. Die doch recht stattliche Höhe trägt das ihrige dazu bei, dass man am Ende der Tour zufrieden und müde ist. Also, es gilt für ausreichend Energie zu sorgen.

Von der Hütte weg geht's unmittelbar bergauf. Die gesamten rund 1.200 Höhenmeter bis zum Gipfel weisen kein nennenswertes Flachstück auf, wodurch der Aufstieg recht anstrengend ist. Das Gute dabei: Man bewegt sich von Beginn an in einer ausgesprochen schönen Landschaft, in der es allerhand zu sehen gibt. Beispielsweise die wuchtigen Feuersteine, an denen sich gerade die Sonne über den Kamm schiebt, oder der türkisfarbene Freiger See, der am Fuß des gleichmäßig abfallenden Grüblferners liegt. Bis zur Seescharte gehen wir in einem langsamen Rhythmus, beinahe meditativ. Manchmal trifft man hier auf Steinböcke, die auf Felsen liegend oder im steilen Gelände nach den saftigsten Pflanzen suchend, die Vorbeigehenden beobachten. Das dunkle Gestein der Urfallspitze gibt einen tollen Kontrast zu den hellen Felsen am Joch, auf denen wir es uns kurz gemütlich machen.

Morgensonne an den Feuersteinen.
Urfallspitze. Rechts im Hintergrund, der Habicht. Und ganz hinten, das hell erscheinende (weil Kalk) Karwendel.

Die Seescharte liegt bereits auf über 2.800 m Seehöhe. Sie bildet ebenso einen Übergang zwischen den Hütten und wird weit weniger dafür genützt als das Niederl oder die Mairspitze. Immer öfter tritt man oberhalb von ihr auf Felsen anstelle auf befestigten Weg, und mehr und mehr gelangt man ins Blockgelände. An einem großen Steinmann blickt man das erste Mal zum nordseitigen Grünauferner, der oft mit einer frischen Brise belohnt. Am Steinmann rasten wir noch einmal und legen uns die Gurte an. Der Weiterweg beinhaltet einige schmale Stellen und auch eine kurze Steilstufe mit Fixseil.

Blick über die Hohe Wand nach Süden. Links die Agglsspitze, am Horizont die Sextener Dolomiten, Monte Pelmo, Monte Antelao und Tofane (und noch so viel mehr).
Blick nach Norden.

Markierungen und Trittspuren folgend, gelangt man auf einen Felsrücken, an den zu beiden Seiten Gletscher angrenzen - links der Grüblferner, rechts der Grünauferner (auch Wilder-Freiger-Ferner genannt). Permafrostveränderungen bedingen hier einen stetigen Wandel und fraglich bleibt, wie lange die Felsen, über die die Route führt, noch in dieser Weise begehbar sind. An den exponiertesten Stellen gibt's Stahlseile zum Festhalten. Eine Passage hat oft noch Restschnee oder sogar Eis. Sie ist mit einem Fixseil ausgestattet, an dem man sich hochhangelt.

Blick zum Gipfel und zum Grünauferner.
Bereits über der Dreitausendmetermarke.
Blick Richtung Osten. Grüblferner, Freiger See(n), Feuersteine, und auch das Simmingjöchl (links) sieht man gut.
Der erwähnte Felsrücken.
Ridnaun.
Das schmutzige Eis ist griffig, das Fixseil hilft. Die Steigeisen bleiben vorerst im Rucksack.

Eine verfallene Zollhütte passierend gelangt man hinauf zum Grat zwischen Signal- und Hauptgipfel. Lediglich die letzten Meter unterhalb des Gipfelkreuzes sind etwas steiler. Oben angekommen schweift der Blick rundum. Der Wilde Freiger ist ein exzellenter Aussichtspunkt und wir haben den perfekten Tag um das auszukosten. Es bleibt Zeit, die Besonderheit dieses Moments aufzunehmen und ohne Zeitdruck zu verweilen.

Das weite Gletscherbecken des Übeltalferners ist beeindruckend. Viele wissen gar nicht, dass diese Region der Stubaier Alpen noch so stark vergletschert ist. Zwei Hütten rücken ins Bild - das Becherhaus und die Müllerhütte. Beide sind vom Gipfel aus gut erreichbar und bieten die Möglichkeit für eine außergewöhnliche Übernachtung auf (etlich) über 3.000 m Seehöhe.

Blick zur Müllerhütte. Links, die Sonklarspitze. Rechts, der Wilde Pfaff und das Zuckerhütl (größtenteils verdeckt). Ganz hinten am Horizont, die Ötztaler Wildspitze.
Blick zum Becherhaus mit dem Botzer links dahinter. Rechts, die Königshofspitze.
Zwischen Signal- und Hauptgipfel.
Blick nach Norden ins Stubaital und Richtung Innsbruck.
Aufstieg geschafft. Nun erst einmal ausgiebig pausieren.
Blick zum Aperen Freiger und zur Lübecker Scharte. Auch den Stubaier Gletscher erkennt man.
Übeltalferner.

Irgandwann wird's dann doch Zeit aufzubrechen, denn es steht noch ein langer Abstieg bevor: Über den Lübecker Weg in die Lübecker Scharte, anschließend durch die Fernerstube zur Blauen Lacke und zur Sulzenauhütte. Der zu begehende Felsgrat wirkt vom Gipfel aus betrachtet eher anspruchsvoll. Rote Markierungen unterstreichen den Routenverlauf am Grat. Ist man erst einmal unterwegs, gelingt der Abstieg meist problemlos. Vorausgesetzt man hat keine enorme Höhenangst und vertraut in die Seilschaft, ist der Lübecker Weg eine sehr schöne Route, die leichte Blockkletterei und sicheres Steigen verlangt. Bis hinab in die Lübecker Scharte bleiben wir angeseilt, und erst dort wechseln wir über in einen völlig anderen Abschnitt dieser Tour.

Anmerkung: Etwa in Mitte des Lübecker Wegs kann man links hinab zum Übeltalferner steigen. Über ihn erreicht man die Müllerhütte in kurzer Zeit (Achtung Gletscherspalten!).

Halb so schlimm, wenn man erst einmal loslegt.
An den schwierigsten Stellen sind Stahlseile angebracht. Abseits derer bewegt man sich im Blockgelände.
Bei solchen Bedingungen macht's enorm Freude. Der Lübecker Weg kann jedoch bei Nässe/Kälte, Vereisung oder starkem Wind auch grimmig sein.
Die Route wird häufig begangen. Der Fels ist meist fest und die Routenführung klar.
Am tiefsten Punkt des Felsrückens rechts liegt die Lübecker Scharte - dort wollen wir hin. Links, die Fernerstube.
Kurz vor Erreichen der Lübecker Scharte.
Blick in die Fernerstube. Durch sie führt der weitere Abstieg.

An der Lübecker Scharte geben wir das Seil in den Rucksack. Die Fernerstube ist aper, d.h. es liegt kein Firn mehr auf dem Gletschereis. Die wenig vorhandenen Gletscherspalten sind somit gut sichtbar und mit Steigeisen an den Füßen sind sie leicht umgehbar. Der Abstieg durch die Fernerstube ist eindrucksvoll. Man geht völlig frei und ohne Markierungen durch eine hochalpine Landschaft, atmet dabei sogar leicht :-), und gelangt schnell tiefer, zu den Ausläufern des Gletschers. Solange hier Eis liegt sollte es begangen werden - es ist ein so schönes Erlebnis!

Seil rein, Steigeisen raus. Grödeln oder Spikes reichen meist auch.
Rein in den nächsten Abschnitt. Der Wilde Pfaff übrigens.
Gleichmäßig und beinahe spaltenfrei im oberen Teil.
Etwas mehr zerklüftet im unteren Teil.
Da fließt (und schmilzt) das Gletschereis dahin.
Am unteren Ende der Fernerstube.
Es gurgelt ringsum. Viele kleine Details des Gletschers treten in den Vordergrund.
Steigeisen wieder in den Rucksack. Ab hier folgt man Pfadspuren und einzelnen Markierungen im Gletschervorfeld.
Auch hier ist noch einmal ein schöner Ort, um zu rasten. Gurt weg ist auch fein, fühlt sich so frei an.

Hat man das Gletscherzeugs wieder in den Rucksack gepackt, geht's noch weiter. Der Abstieg zur Sulzenauhütte zieht sich etwas und vielleicht ist es neben der körperlichen Anstrengung und der Höhe auch das immense Spektrum an Eindrücken, das einen geistig fordert und Müdigkeit aufkommen lässt? Tatsache ist, dass der letzte Abschnitt des Weges noch einmal wunderschön ist. Man wandert vorbei an der (türkisen) Blauen Lacke hinab zur Sulzenauhütte, an der man sich niederlässt und stärkt, vielleicht ja sogar das Geleistete und Erlebte feiert.

Linkerhand schiebt der Sulzenauferner ins Tal.
Über einen Moränenrücken geht's Richtung Blaue Lacke.
Da liegt sie.
Der Beginn des Wilde Wasser Wegs.
How bizarre, how bizarre.
Die Blaue Lacke ist auch ein wunderschönes Ziel für eine Wanderung.
Und hier unser Ziel - die Sulzenauhütte.

Ab der Hütte ist befindet man sich wieder am Stubaier Höhenweg und kann diesem weiter folgen oder ins Tal absteigen. Wir verabschieden uns dort meist von Kund:innen und nehmen die verbleibenden 600 Tiefenmeter in Angriff.

Unsere Empfehlung: Nehmen Sie sich für den Stubaier Höhenweg Zeit und verbringen Sie auch einmal zwei Nächte auf derselben Hütte. Tagestouren vom Höhenweg aus sind sehr lohnend und lassen einen tief in die Bergwelt des Stubai einblicken. Die beschriebene Etappe zwischen Nürnberger Hütte und Sulzenauhütte ist wunderschön, verlangt aber auch Durchhaltevermögen. Bei Zweifel, ob das das Richtige ist, besser unten rum oder mit einem Tag mehr und Übernachtung "oben".

Bild Verfasser

Verfasst von

Matthias Knaus

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