24. September 2025
Thomas macht mit seiner Frau Alex Urlaub im Stubai. Sie sind das erste Mal hier und von ihrer Unterkunft im Tal aus unternehmen sie täglich Wanderungen und Bergtouren. Es ist Mitte September und verhältnismäßig ruhig geht's zu. Die Hauptferienzeit ist bereits vorbei, das Wetter vorwiegend gut, mit Herbstsonne und nur wenig Niederschlägen. Wie so viele gehen die beiden auf den Hohen Burgstall, die Serles und den Elfer. Als Stubai7Summits sind diese Gipfel bekannter als andere und somit erstrangige Ziele für Neulinge im Stubai. Thomas wünscht sich, an zwei Tagen das Hochstubai zu erleben, mit seinen Gletschern und Bergen über Dreitausendmeter. In einem Telefonat erklärt er uns kurz seine Vorstellung und wir entscheiden uns für die Stubaier Spaghettitour, beziehungsweise eine Variante davon.
Normalerweise beginnen wir die Tour am Schaufeljoch, das man mit den Seilbahnen am Stubaier Gletscher schnell erreicht. Von dort geht's anschließend zur Müllerhütte und am nächsten Tag über den Wilden Freiger wieder retour zur Mittelstation Fernau. Ohne Seilbahnunterstützung und Müllerhütte - beide Betriebe haben erst kürzlich geschlossen - bleiben das Becherhaus und ein Aufstieg zu ihm vom Tal aus eine Option, die wir bei vielversprechender Wetterprognose wählen.
Der Anstieg beginnt früh morgens am Parkplatz der Nürnberger Hütte. Über die Bsuechalm und das Lange Tal steigt man in zweieinhalb bis drei Stunden zur Nürnberger Hütte am Stubaier Höhenweg auf. Es ist wolkenverhangen und gerade als wir die Hütte erreichen beginnt es zu regnen. Hausgemachte Kuchen und Kaffee, auch die immer sehr herzlichen Gespräche auf der Nürnberger Hütte, lassen den Regen in Vergessenheit geraten. Wir können entspannt abwarten, denn der weitere Weg führt konsequent nach oben und an einen Retourweg müssen wir heute nicht denken.
Den Wilden Freiger vom Tal aus zu besteigen erfordert gute Kondition. Insgesamt knapp 2.000 Höhenmeter sind zu bewältigen und es gibt im Anstieg kaum Flachstücke. Bis zur Seescharte, einem Übergang zur Sulzenauhütte, wandern wir im Nebel. Ab und zu ergibt sich ein beeindruckender Blick zu den Feuersteinen oder zu den türkis farbenen Freiger Seen. Wir wissen, dass es irgendwann aufreisst und man spürt förmlich, wie die Sonne von oben herab freimacht. Bei einer Wegmarkierung, einem großen Steinmännchen auf ca. 3.000m Seehöhe, klart es auf. Der Freiger rückt ins Bild und auch die von ihm nach Norden abfließenden Gletscherarme. Ich erzähle Thomas von meiner ersten Besteigung als 14-Jähriger - damals ebenfalls vom Tal aus und noch mit Gletscherberührung. Die verfallene Zollhütte knapp unterhalb des Signalgipfels ist mit Anraum versehen. Trotz Sonnenschein ist die Luft klar und kühl. Am Gipfel sitzen wir kurz alleine. Einige Bergsteiger:innen steigen über den Grat zum Becherhaus ab und in Kürze werden wir ihnen folgen.
Will man ausgiebig Gletscher schaun, sollte man hier hoch. Das Becherhaus steht auf dem Gipfel des Becher (3.195m) und besonders nachmittags und am Morgen ist die Stimmung hier oben exzellent. Am Horizont im Süden sieht man die Dolomiten (wir befinden uns ja bereits in Südtirol). Das Gletscherbecken des Übeltalferners erscheint weit und die Umgebung mit etlichen Drteitausendergipfeln ist beeindruckend. Die Hütte wurde unlängst renoviert und Lukas, der Hüttenwirt, legt großen Wert auf Wohlfühlatmosphäre und Gemütlichkeit. Bis zum Abendessen sind wir draußen auf den Terrassen, dann geht die Sonne unter.
Um 6.30 Uhr nehmen wir das erste Frühstück. Der Fels am Ostgrat des Wilden Pfaff wird von der Morgensonne aufgewärmt und ohne nennenswerten Wind klettern wir zum Gipfel. Wir treffen auf ein Paar - Tommy, ein Bergführerkollege aus Bozen, ist mit seiner Partnerin unterwegs. Die beiden sind überrascht wie einsam man hier oben sein kann und wie schön diese Ecke der Stubaier Alpen um diese Jahreszeit ist. Tommy ist ein Winterfuchs, er bereist ferne Gebirge mit Ski und auch in seiner Heimat Südtirol ist er viel unterwegs. Lediglich einmal war er bislang hier oben, im Rahmen einer Skitour auf den Wilden Freiger. Wir wünschen uns Gesundheit und feine Schwünge im bevorstehenden Winter und nach einem Händedruck teilen sich unsere Wege.
Am Pfaffensattel zwischen Zuckerhütl und Wildem Pfaff liegt der Sulzenaugletscher vor uns. Er ist frisch angezuckert und strahlt. Die Bedingungen könnten nicht besser sein. Einigen Gletscherspalten ausweichend gehen wir Richtung Westen zum Pfaffenjoch. Ein letzter Anstieg führt zum Felsrücken am Aperen Pfaff, danach beginnt der lange Abstieg über Fernau. Mehr als 24 Stunden verbringt man bei dieser Tour auf über Dreitausendmeter. Wenn man anschließend wieder tiefer gelangt, nimmt man Grün und Vegetation intensiver wahr als zuvor. An der Dresdner Hütte wartet Alex. Sie war heute bereits auf der Bänkenalm und erzählt begeistert von diesem schönen Ort. Während ein dreiköpfiges Musik-Ensamble volkstümlich musiziert kommt frischer Wind auf. Die Zeit für Hochtouren ist erst einmal vorbei. Wir leben in Einklang mit Witterung und der gegebenen Infrastruktur. Im Winter begleiten wir Skitouren aufs Zuckerhütl und den Wilden Freiger, sehr lohnende Unternehmungen. Aber erst einmal Fels und trockene Gefilde in den Herbstmonaten.
Diese Tour wurde im Führer:in/Gast-Verhältnis von 1:1 begleitet. Wir können auf der Spaghettitour bis zu vier Personen begleiten. Wenn Sie Lust verspüren diese Tour mit uns in Angriff zu nehmen, benachrichtigen Sie uns hier.
Tipp: Besonders wertvoll ist es, wenn man einen Tag mehr investiert und sowohl die Müllerhütte als auch das Becherhaus erlebt. Die beiden Hütten liegen nur unweit voneinander entfernt und können durch genussvolle, kürzere Tagestouren verbunden werden.
Stubaier Bergführer GesbR