11. Juni 2024
Etymologie vorne weg: Im Wort Fernau steckt "Ferner", das ist eine regionale Bezeichnung für Gletscher. Und genau unterhalb dieser liegt der Ort um den es hier geht. Fernau liegt im hintersten Stubaital, im Bereich des Stubaier Gletschers. Durch Seilbahnen erschlossen, ist es ein gut zugänglicher Ort, mit Infrastruktur und Natur, der zu allen Jahreszeiten etwas zu bieten hat. Oberhalb der Dresdner Hütte gibt's den Egesengrat - ein felsiger, im Vergleich zu den umliegenden Bergen recht unspektakulärer Berg mit Kletterrouten und Klettersteigen. Für einen unserer langjährigen Kunden sind der Egesgrat und Fernau Orte, die wie Schauplätze einer alpinen Laufbahn zu erklären sind - nämlich durch ihn selbst, Jörg.
Jörg buchte einst eine Tour zum Zuckerhütl. Er ist sportlich, läuft gerne und geht auch mal ab und zu in die Kletterhalle. Am Zuckerhütl merkt er, dass es neben diesem eine Reihe weiterer Berge im Stubai gibt, für die er sich zu interessieren beginnt. Seine Frage nach den Möglichkeiten führt zur Gegenfrage der Erfahrung, denn die ist es, die in erster Linie die Antworten bestimmt. Nun, Erfahrung sammeln wäre gut meint Jörg, vor allem im steileren Fels. Er habe noch wenig Gelegenheit dazu gehabt, und Kletterhalle ist nicht das Draußen.
Wir entscheiden uns ein Jahr später den Fernau-Klettersteig zu gehen. Er ist mittelschwer (C/D) und ermöglicht einen guten Einstieg in die Senkrechte. Nach wenigen Minuten ist der Einstieg erreicht und mit dem Klettersteig-Set selbst gesichert steigt man über die ersten, bereits steileren Abschnitte. Erste Abschnitte an Klettersteigen sind oft bewusst schwer angelegt, um ein Gefühl für die Anforderungen zu bekommen und im Fall auch noch umdrehen zu können. Jörg meistert den Fernau-Klettersteig mit Genuss und Wohlbefinden und entscheidet sich ein Jahr später für den Fernau-Express - einen kurzen, jedoch auch schwierigeren Klettersteig am Egesengrat.
Der Fernau-Express (D/E) verlangt Armkraft. Im Unterschied zur einfacheren Variante weiter nördlich fehlen hier oft die künstlichen Trittmöglichkeiten und man bewegt sich wesentlich mehr am Fels. Um das Ganze entspannt anzugehen, sichern wir die schwierigsten Abschnitte. Es gibt dies ein gutes Gefühl der Sicherheit. Jörg blickt sich zufrieden um und sieht dabei glänzende Bohrhaken im Fels. "Wozu sind die?"
Wieder ein Jahr später stehen wir erneut am Fuß der Felsen. Diesmal jedoch nicht um einen der Klettersteige zu gehen, sondern um eine Mehrseillängenroute in Angriff zu nehmen. Das Team Stubai Alpin erschloss etliche Routen im festen Fels des Egesengrat, die allesamt schön sind und einen guten Rahmen bieten, erste Klettererfahrungen im Freien zu machen. Die Bohrhakenabstände sind gering und die Standplätze komfortabel. Jörg entscheidet sich vorzusteigen. In Wechselführung kletternd erreichen wir den Ausstieg und blicken zurück, nicht nur auf die Route, sondern auch auf unsere gemeinsame Geschichte hier. Es ist eine sehr schöne Geschichte mit ständiger Entwicklung und vielen schönen Momenten. Jetzt bleibt nur die Frage offen, wohin das nächste Mal? Vielleicht zum Elfer, ins Pinnis oder in die Kalkkögel?
In puncto Klettern ist das Stubai ein Underdog. Es gibt zu wenig festen Fels in der Region um sich als namhaftes Klettergebiet zu behaupten. Was im Stubai aber schön ist, man kann sehr entspannt und auch sehr ursprünglich und abenteuerlich (positiv gemeint) klettern. Besonders Routen in unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden gibt es einige - das landschaftliche Setting überzeugt bei den meisten.
Stubaier Bergführer GesbR