Eine selten begangene Route auf den Wilden Freiger.

Leo-Schöpf-Steig

Nur wenige besteigen den Wilden Freiger über den Leo-Schöpf-Steig. Er erfordert im Vergleich zu anderen Anstiegsrouten gute Verhältnisse und Umsicht. Passt der Moment, ist der Weg schön und abwechslungsreich. Von der Sulzenauhütte beginnen wir nun mit dem Aufstieg...

25. Juni 2023

Markus von Flat Sucks vertraute uns eine Gruppe an, die im Stubai Hochtourenerfahrung sammel will. Mit den vier Freunden geht's zur Sulzenauhütte, wo ausreichend Zeit bleibt, Knoten und Sicherungstechniken zu üben. Es ist noch früh in der Saison und höheren Bereichen liegt noch einiges an Schnee. Der morgige Tag wird strahlend schön vorhergesagt und wir entscheiden uns am Abend, den Wilden Freiger zu besteigen, und zwar über den Leo-Schöpf-Steig.

Übersichtsbild. In etwa hier entlang.

Warum? Weil die Route derzeit gute Verhältnisse aufweist und damit eine der lohnendsten am Berg ist. Wir möchten den Wilden Freiger zudem überschreiten und dazu eignet sich der Aufstieg über diese anspruchsvollere Route besonders. Für den Abstieg überlegen wir den Weg über die Seescharte - auf dieser Strecke sieht man ständig zum davor Bewältigtem. Der Leo-Schöpf-Steig ist übrigens nach einem früheren Wirt der Sulzenauhütte benannt, der die Route ausarbeitete und diesen Weg anlegte.

"Guten Morgen Stubai."

Früh morgens - wir nehmen das erste mögliche Frühstück - beeindruckt der Blick von der Hüttenterrasse ins Tal. Die Morgensonne taucht die Landschaft in ein besonderes Licht, es bestätigt sich der Wetterbericht - strahlend schön! Im Schatten steigt man am Stubaier Höhenweg auf, bis rechts ein schmales Weglein abzweigt, das zum Fuß der Felsen unterhalb des Freigerferners (auch Grünauferner genannt) leitet. Man fragt sich, wo der Weg nach oben führt, und erkennt beim Näherkommen den Durchstieg im hinteren Bereich des Felsgürtels. Der Einstieg ist mit einem Schriftzug markiert, von ihm weg leiten Stahlseil und einige Trittbügel nach oben.

Kurz oberhalb der Hütte, am Stubaier Höhenweg. Der Einstieg befindet sich oberhalb des Schneefelds, aus dem das Bächlein sprudelt.
Herrlich kühl an einem heißen Sommertag. Im Tal gegenüber, die Ruderhofspitze.
Im Schatten, links, wo das Felsband weniger hoch ist, geht's los.
Am Einstieg.
So ist er markiert.

Es ist gut hier Gurt und Sicherungsmaterial zu tragen. Es handelt sich zwar um keinen Klettersteig, doch die Gletscherschliffe sind mitunter steil (also Absturzgelände) und besonders bei Nässe sind einige Passagen Sichern wert. Wir lassen uns Zeit, gewinnen dennoch einigermaßen rasch Höhe. Auf einem Absatz, die Felsen unter uns, ändert die Route ihren Charakter: ein wenig ausgetretener Pfad führt im Geröll- und Moränengelände hinauf bis auf eine markante Schulter, an der wir Rast machen. Von diesem Punkt aus kann man den Mittelteil des Anstiegs gut überblicken.

Die ersten Steilpassagen.
Trittsicherheit ist erforderlich. Insgesamt aber gutmütig.
Wir gehen frei und jeder sichert sich bei Bedarf selbst.
Die Gletscherschliffe werden flacher.
Hier gewinnt man schnell an Höhe. Ein steiler Pfad bildet den Übergang in den Mittelteil der Route.
Blick zum Grünausee und dem Niederl.
Blick vom Rastpunkt zum Gipfel.
Hier geht's hinauf zum Gletscher. Wir steigen links des länglichen Schneefelds auf und queren im rötlichen Gestein nach links zum Gletscher. Im Abstieg rutschen wir im Altschnee bis zum Fotostandpunkt.
Einsam und in äußerst ruhiger Lage wird gejausnet.

Es geht im nächsten Abschnitt darum, den Gletscher zu erreichen. Wir wählen einen ausgeaperten Geländerücken und erreichen über diesen die ersten Schneefelder. Der Schnee ist griffig und fest, sodass das Höherstapfen gut gelingt. Am Gletscherrand - es folgen auch gleich die ersten Gletscherspalten - seilen wir an.

Hin zum steilen Geröllhang.
Der erste Gletscherabschnitt ist am steilsten. Man kann diesen Teil auch weiter rechts umgehen.

Es folgt ein flaches, kleines Gletscherbecken, und ab diesem geht's kontinuierlich ansteigend und gut einsehbar weiter. Ein Steinbock schaut uns gelassen, auf einem Felssporn zwischen den beiden Gletscherarmen stehend, zu. Immer freier wird der Blick, immer besser die Aussicht. Oben sind die Leute auf dem Gipfelgrat erkennbar. Sie steigen vom Becherhaus oder von der Müllerhütte auf - ebenfalls sehr lohnend. Nachdem die meisten von ihnen bereits wieder abgestiegen sind, erreichen wir den Gipfel. Wir sitzen dort lange, denn nichts treibt zum Aufbruch und zu schön ist der Augenblick.

Blick vom Gletscherbecken nach oben. Wir peilen den Felskamm links an, um die Spaltenzone zu umgehen.
Super Bedingungen. Der Schnee ist fest und griffig.
Sind hier die Bedingungen gut, gewinnt man schnell an Höhe.
Ganz links umgeht man die Gletscherspalten. Oberhalb erkennt man bereits den Gipfel.
Sehr aussichtsreich ist der letzte Teil des Aufstiegs über den Gletscher.
Die Dreitausendergrenze ist längst überschritten, etwa 1.200 Höhenmeter sind bewältigt. Hinten, der markante Habicht. Ganz hinten, Karwendel (links) und Tuxer Alpen (rechts).
Ankunft am Gipfelgrat.
Die letzten Schritte zum höchsten Punkt.
Olé!

Weil die Schneebedingungen am Gletscher derartig gut sind, verzichten wir auf die Überschreitung und steigen wieder über den Leo-Schöpf-Steig ab. Es ist dies der schnellste Abstieg zur Sulzenauhütte. Im Sulz machen wir lange Schritte und nachdem der Gletscher bereits hinter uns liegt, helfen Altschneefelder dabei, die Höhe rasch abzubauen - und das gelenkschohnend. Am Nachmittag erreichen wir die Hütte und genießen dort Kaiserschmarren und Getränke. Der Hüttenwirt fragt uns nach den Bedingungen und wir sind uns einig, dass diese sehr gut sind.

Aspirant:innen und Bergführerkolleg:innen empfehlen wir diese Route. Meist herrschen zu Beginn der Saison die besten Bedingungen. Vorsicht im ersten, steilen Felsband und im Bereich der Gletschergrenze. Spaltenzonen am Gletscher sind gut erkennbar. Im oberen Teil der Route empfiehlt es sich weit links auzuholen, um die Spalten zu umgehen. Der Übergang vom Gletscher ins darunterliegende Gelände (auch umgekehrt) kann durch Ausaperung heikel (d.h. brüchig und schwierig zu gehen) sein. Insgesamt eine sehr lohnende Hochtour, die Erfahrung voraussetzt.

Wir besteigen den Wilden Freiger über verschiedenste Routen, im Winter wie im Sommer. Vorzugsweise gehen wir vom Tal aus, denn damit passt man sich gleichmäßig und nicht zu schnell an die Höhe an. Je nach Kondition und Ambition erfordert eine Besteigung ein bis drei Tage. Am entspanntesten sind natürlich drei - allein schon die Berghütten sind es wert. Erkundigen Sie sich gerne bei uns, wenn dieser Stubai7Summit an der Grenze zu Südtirol eines Ihrer Wunschziele ist.

PS: Wir hatten wirklich gute Verhältnisse. Später in der Saison sieht's vielleicht so aus...

Deutlich mehr offene Spalten und Blankeis zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr.
Bild Verfasser

Verfasst von

Matthias Knaus

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