25. Juli 2023
Die Wetterprognose der Geosphere Austria verspricht Gutes. In einer eher unbeständigen Phase des Sommers mit vielen Niederschlägen, erweist sich ein Sonntag Ende Juli als geeignet für eine ausgedehnte Bergtour. Der Grat von der Vorderen Brandjochspitze zum Kleinen Solstein springt einem ständig ins Auge, wenn man sich im Innsbrucker Raum bewegt. Warum nicht also mal drüber?
Aus dem Zentrum der Stadt bringt einen die Hungerburgbahn höher. An der Seegrube verlassen wir die Nordkettenbahn und wandern nach Westen, auf einem gut markierten, teilweise steilen Wanderweg, zum Frau-Hitt-Sattel.
In weniger als zwei Stunden ist der Gipfel der Vorderen Brandjochspitze erreicht. Hierhin führt eine besonders lohnende Route von Süden - der Brandjoch-Südgrat (UIAA III-). Wir entschieden uns für den Normalweg von Osten, denn gratig wird's ab jetzt ohnehin. Ein kurzer Abstieg und ein etwa 15-minütiger Aufstieg, und man steht auf der Hinteren Brandjochspitze, einem Berg, der bereits wesentlich weniger Besuch erhält, als sein östlicher Nachbar. Wenige Meter westlich vom höchsten Punkt gibt es einen mit Schlingen und Rapidglied (neu!) eingerichteten Standplatz, von dem aus man ca. 12m über ein steiles Gratstück abseilt. Diese Stelle kann auch geklettert werden (UIAA III) - nicht sonderlich schwierig, aber ausgesetzt und etwas grimmig. Ein Ziel unserer Begehung heute ist es, die Tour auf ihre "Führungstauglichkeit" zu prüfen, d.h. rauszufinden, ob man diese Tour auch mit Gästen im Rahmen einer Führungstour gut machen kann. Auf Felsqualität, Sicherungsmöglichkeiten, Exitmöglichkeiten und zwingend zu kletternde Passagen fällt dabei das Hauptaugenmerk, denn diese Merkmale haben im Kontext einer geführten Tour große Relevanz.
Neben uns ist in selber Richtung noch ein Paar unterwegs, ein Solo-Bergsteiger begegnet uns von Westen kommend. Ansonsten treffen wir bis zum Gipfel des Kleinen Solstein auf niemanden.
Der Abschnitt von der Hohen Warte zum Kleinen Solstein ist besonders schön. An mehreren Stellen klettert man direkt am schmalen Grat (beispielsweise am bekannten Reitergrat) und der letzte steile Aufschwung weist guten Fels auf.
Wir verzichten auf den Großen Solstein und zweigen auf den Höttinger Schützensteig ab. Dieser führt durch ein ursprüngliches und wildes Kar hinab zur Neuen Magdeburger Hütte. Schneller ist man durch's Wörgltal, etwas weiter westlich.
Etwa 2.000 Höhenmeter sind es, vom Kleinen Solstein hinunter nach Kranebitten. Ideal gelegen, die Neue Magdeburger Hütte, an der wir Rast machen und uns stärken. Der Weg zu ihr weist einige sehr steile Passagen auf und verlangt konzentriertes Steigen. Gleiches gilt für den Schleifwandsteig - dieser führt von der Hütte nach Kranebitten.
Von Kranebitten gelangt man mit der Bahn oder per Bus zurück ins Zentrum der Stadt. Nichts scöner, als dann dort zu sitzen, zu genießen und den Gratverlauf mit neu gewonnenen Erkenntnissen zu betrachten.
Wir sind der Meinung, den Grat kann man ausgezeichnet führen. Jedoch sollten Begeher über Erfahrung und Trittsicherheit verfügen, und die Seilschaft nur aus zwei Personen bestehen. Die Tour ist anspruchsvoller als beispielsweise der Brandjoch-Südgrat, und sollte keinesfalls unterschätzt werden. Umsichtiges und zügiges Gehen am luftigen Grat, Konzentration, ein achtsamer Umgang mit brüchigem Gestein, sowie genügend Kondition (v.a. auch für den langen Abstieg) sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Begehung.
Wir bieten die Tour im Rahmen einer Privatführung mit jeweils einer/m Seilpartner:in. Als Vorbereitungstour empfielt sich der Brandjoch-Südgrat.
Stubaier Bergführer GesbR