28. Juli 2022
Wie so oft an heißen Sommertagen, gibt der Wetterbericht den Hinweis auf Wärmegewitter zu achten. Unser Tagesziel, die Große Ochsenwand in den Kalkkögeln, ist durch ihre Höhe und hunderte Meter Stahlseil prädestiniert für elektrische Entladungen. Darum starten wir früh. Bereits um 6 Uhr beginnen wir den Zustieg von der Schlicker Alm, der uns im Talbereich des Schlicker Kessels den Felswänden der höchsten Kalkkögelberge näher bringt.
Nach einer kurzen Rast am Einstieg legen wir Helm, Gurt und Sicherungsmittel an. Gleich zu Beginn gilt es die technisch schwierigste Stelle des gesamten Klettersteigs zu meistern - eine kurze, kraftraubende Steilstufe im Schwierigkeitsgrad C/D. Apropos Schwierigkeiten - am Schlicker Klettersteig ist Ausdauer gefragt. Mit 700 Höhenmetern im Aufstieg und 300 im Abstieg ist der Klettersteig der Längste in den Stubaier Alpen.
Wir gehen große Strecken in Kurzseiltechnik. Nicht überall ist am Schlicker Klettersteig ein Stahlseil vorhanden, und gerade deshalb sind auch gute Trittsicherheit und Souveränität gefragt. Wir kommen zügig vorwärts und steigen über die Südschulter im Nebel zum höchsten Punkt.
Der Abstieg durch die Nordseite ist völlig konträr zum Aufstieg an der Südseite. Ständig wird man durch unerwartete Blicke und originelle Klettersteigpassagen überrascht. Die Nordseite gilt als Normalweg und weist Schwierigkeiten bis C auf.
Nach dem Abstieg erreichen wir die Alpenklubscharte, den Übergang zwischen Adolf-Pichler-Hütte und Schlicker Alm. Wir sind mit beiden Seiten sehr verbunden, denn hier kletterten wir schon in Jugendjahren. Vermutlich ist es gerade darum jedes Mal ein schöner Moment, wenn wir hier in den Kalkkögeln unseren Beruf ausüben.
Von der Alpenklubscharte geht's zügig abwärts. Wir entscheiden uns für die Schotterreise etwas nördlich des Wanderwegs und nützen diese für einen knieschonenden und flotten Abstieg. Auch jetzt noch beobachten wir die Wolken aufmerksam.
Unterhalb der felsigen Abstiegsvariante begeben wir uns wieder auf den Steig, der in herrlicher Landschaft hinab in die Roßgrube führt. Hier entspannen wir und freuen uns über die makellose und flotte Begehung. Es ist erst um die Mittagszeit und gerade recht für ein Nickerchen in den Bergwiesen.
Nach einer wunderbaren Rast schultern wir die Rucksäcke erneut und steigen weiter ab zur Schlicker Alm. Dort gliedern wir uns ein, in Gruppen von Wanderern und Tagesausflüglern. Die Große Ochsenwand und der Schlicker Klettersteig bescherten uns einen wirklich sehr schönen Bergtag.
Wir empfehlen diese Tour keinesfalls Klettersteig-Neulingen. Lassen Sie sich in Topos und Beschreibungen nicht von moderaten Schwierigkeitsangaben beirren. Der Schlicker Klettersteig ist ein langer und anspruchsvoller Alpinklettersteig und verlangt nach guter Kondition, solidem Können und Bergerfahrung. Bringt man diese drei Fähigkeiten mit, erlebt man einen eindrucksvollen und tollen Klettersteig.
Stubaier Bergführer GesbR