11. August 2022
Dass das Pinnistal landschaftlich sehr eindrucksvoll und schön ist, ist vielen bekannt. Als Seitental des Stubaitals verläuft es vom Fuß des Habicht bis an die Ruetz nach Neder. Neben der Almwirtschaft wird das Tal auch von Freizeitsportlern genütz, vor allem Wanderer und Mountainbiker schätzen die wunderbaren Wege. Wenigen bekannt ist das Pinnistal als Klettergebiet. Durch längere Zustiege und den alpinen Charakter der Routen wird vergleichsweise selten Hand am Fels angelegt, die Alpinklettertouren des Pinnis sind somit abgeschieden und ruhig.
Die Bergsteigerschule Stubai wendete sich an uns mit der Anfrage eines Kunden, die Schwarzen Platten am Kirchdachsockel zu klettern. Diese Anfrage freut uns - zum einen, da Alpinklettern in diesem Stil zu unseren absoluten Herzensangelegenheiten zählt, zum anderen schätzen wir den Vermittlungs- und Netzwerkgedanken, der uns zu diesem Auftrag verhilft.
Die morgendliche Fahrt mit dem E-Bike durch's Pinnistal ist bereits ein Genuss. An einem heißen Sommertag mit mit Kletterrucksack am Rücken und leichtem Fahrtwind bergauf hier die Landschaftseindrücke aufzunehmen ist wunderbar. Auch dass stabiles Wetter vorhergesagt ist unterstreicht, heute die richtige Wahl getroffen zu haben.
Andreas Orgler beschreibt in seinem Standardwerk Klettern in den Stubaier Alpen und im Valsertalkessel (Panico Verlag, ISBN 3-926807-21-0) die Kletterrouten der Pinnistalkette mit "häufig schöner Fels, lange Routen, schöne Landschaft" - dem ist nicht viel hinzuzufügen. Besonders der Kirchdachsockel hält für Alpinkletterer eine Reihe interessanter Routen bereit. Die stark von Schluchten durchfurchte Hauptwand gliedert sich in Pfeiler und Wände dazwischen, die Mehrseillängentour der Schwarzen Platten (UIAA VI-) befindet sich dabei in unmittelbarer Nähe zum Westpfeiler (UIAA V+), einer ebenfalls sehr lohnenden Route.
Wie muss man sich das vorstellen, in einer derartigen Alpinkletterroute unterwegs zu sein? Im Unterschied zum Klettern in Hallen oder Sportklettergärten bewegt man sich in alpinem Gelände, d.h. es gilt neben den klettertechnischen Schwierigkeiten auch Alpine Gefahren abzuschätzen und diesbezüglich gute Entscheidungen zu treffen. Das Tragen eines Helms ist obligatorisch, zudem benötigt man wesentlich mehr Material als beim Sportklettern. Mittel für Standplatzbau - auch diese müssen manchmal selbst eingerichtet werden - sowie für die Absicherung zwischen den Standplätzen sind erforderlich. Man bewegt sich in Seillängen und die beiden Kletterer sind manchmal über die Distanz einer ganzen Seillänge voneinander entfernt. Besonders dieses Merkmal setzt voraus, dass jeder in der Seilschaft die Sicherungskette umfänglich versteht und die entsprechenden Fähigkeiten mitbringt, um Knoten, Karabiner und andere Sicherungsmittel selbst anzubringen und zu lösen. Die Kommunikation zwischen den Kletterern ist ebenfalls wichtig - nur wer Seilkommandos kennt und sie auch richtig anwendet sollte sich in Alpinkletterrouten begeben.
Moritz Orgler: "Eine Führungstour nach meinem Geschmack. Die Route wurde 1989 von meinem Onkel Andi und Otti Wiedmann erstbegangen. In den 13 Seillängen stecken heute noch lediglich eine Hand voll Haken und die Standplätze müssen nahezu ausnahmslos selbst eingerichtet werden. Ein richtiges Abenteuer ohne jegliche Kommerzialisierung. Auch die Ruhe und das Ambiente fernab jeglichen Rummels verstärken das Gefühl der Naturverbundenheit."
Nun, allerhand Voraussetzungen. Essenziell ist auch Souveränität, denn nur mit der richtigen Erfahrung und dem Sinn, den Fels entsprechend lesen zu können, gelingt es einem, Route und Standplätze zu finden bzw. zu erreichen. In unserem Seilschaftsgefüge sind ideale Voraussetzungen gegeben: Jonas ist ein sportlicher, junger Mann, der bereits Klettererfahrung und seiltechnische Kenntnisse hat. Moritz ist ein erfahrener Alpinkletterer mit einem besonderen Talent, Felsstrukturen mit mobilen Sicherungsmitteln gut zu nützen - er klettert viel in anspruchsvollen und langen Routen der Alpen.
Die Route ist sehr homogen. Eine kurze Einstiegslänge sowie der Ausstieg weisen Schwierigkeiten im oberen vierten Grad auf, der Rest bietet Kletterei im fünften und sechsten Schwierigkeitsgrad, und das zumeist in gutem Fels. Insgesamt 13 Seillängen sind es, die vom Einstieg auf ein Schichtband am Ausstieg führen.
Nach insgesamt acht Stunden stehen Moritz und Jonas am Ausstieg und freuen sich über das eben Geschaffte und den Ausblick über das Pinnistal. Das Band führt sie zum Jubiläumssteig an der Kirchdachspitze, über den sie zur Pinnisalm gelangen. Bevor die Abfahrt mit dem E-Bike ansteht kehren die beiden ein und betrachten Wand und Route mit Zufriedenheit.
Wir hoffen mit diesem Beitrag gut zu informieren, über das Alpinklettern im Allgemeinen und über dessen Möglichkeiten in den Stubaier Alpen. Wer in der Lage ist mittlere Schwierigkeitsgrade sicher nachzusteigen und die oben beschriebenen Kriterien erfüllt, erlebt mit uns herrliche Routen.
Stubaier Bergführer GesbR